Die Göttin Cisa: Unterschied zwischen den Versionen
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In der Heimatliteratur und älteren Nachschlagewerken finden sich ein Reihe von Hinweisen auf eine angenommene, keltische Göttin Cisa, die auch noch über die keltischen Zeit hinaus in Augsburg lange verehrt worden sein soll. Sie soll den Römern bekannt gewesen sein und wird im 12. Jahrhundert zum ersten Mal in einer Chronik erwähnt, ferner wird ihre Existenz durch mittelalterliche und frühneuzeiltiche Texte und Sagen untermauert. Diese Überlieferungen und Erzählungen halten aber angesichts der zum Thema existierenden (bzw. fehlenden) archivalischen Quellen und auch bezüglich der archäologischen Befunde einer Überprüfung nicht stand. | In der Heimatliteratur und älteren Nachschlagewerken finden sich ein Reihe von Hinweisen auf eine angenommene, keltische Göttin Cisa, die auch noch über die keltischen Zeit hinaus in Augsburg lange verehrt worden sein soll. Sie soll den Römern bekannt gewesen sein und wird im 12. Jahrhundert zum ersten Mal in einer Chronik erwähnt, ferner wird ihre Existenz durch mittelalterliche und frühneuzeiltiche Texte und Sagen untermauert. Diese Überlieferungen und Erzählungen halten aber angesichts der zum Thema existierenden (bzw. fehlenden) archivalischen Quellen und auch bezüglich der archäologischen Befunde einer Überprüfung nicht stand. | ||
[[Datei:Welser chronika weltberühmt s.13.jpg|300px|thumb|left|Das Steinrelief eines Medusenhauptes, einstmals in einer Mauer von St.Ulrich verbaut, Quelle: Welser, Chronika weltberühmt, S.13, (c) urheberrechtsfrei.]] | |||
So zitiert der Vorgängerartikel des alten AugsburgWikis noch den Autor Joseph Georg Fischer, der in seinem 1952 veröffentlichten Buch „Augsburger Frauen“ (Fischer 1952) mutmaßt, der ehemalige Kultplatz der Göttin Cisa habe sich vermutlich an der Stelle des heutigen Perlachturms befunden. Gegen die Verortung eines solchen Platzes im Augsburger Stadtgebiet sprechen aber sehr deutlich die Forschungsergebnisse der Augsburger Stadtarchäologie. Entgegen der römischen Literaturquellen (u.a. Horaz und Strabo), die tatsächlich eine hohe Dichte keltischer Besiedlung im gesamten rätischen Raum beschreiben (Langhammer 2003), konnten im Augsburger Stadtraum und dem dazugehörigen Umland abgesehen von zahlreichen Grabfunden aus der frühkeltischen Hallstattzeit (bis 500 v. Chr.) archäologisch tatsächlich nur vereinzelte latenézeitliche Kleinsiedlungen und Schanzen nachgewiesen werden, die sich vor allem entlang der fruchtbaren, bereits in der Bronzezeit stark besiedelten Lechleite befanden und zur Zeit der Landnahme durch die Römer bereits seit 80-100 Jahren zunehmend verwaist waren. Für den Stadtraum Augsburg ist bislang kein passender Nachweis eines nennenswerten keltischen Siedlungsbefundes erbracht, größere Oppida (=keltische Stadtsiedlungen) wie z.B. in Manching sind bei Grabungen in der gesamten Region bislang nirgends zu Tage getreten (Langhammer 2003). Das macht einen bedeutenden Kultplatz an angesprochener Stelle sehr unwahrscheinlich und bietet innerhalb des heutigen Stadtgebietes auch keine alternative Verortung an. | So zitiert der Vorgängerartikel des alten AugsburgWikis noch den Autor Joseph Georg Fischer, der in seinem 1952 veröffentlichten Buch „Augsburger Frauen“ (Fischer 1952) mutmaßt, der ehemalige Kultplatz der Göttin Cisa habe sich vermutlich an der Stelle des heutigen Perlachturms befunden. Gegen die Verortung eines solchen Platzes im Augsburger Stadtgebiet sprechen aber sehr deutlich die Forschungsergebnisse der Augsburger Stadtarchäologie. Entgegen der römischen Literaturquellen (u.a. Horaz und Strabo), die tatsächlich eine hohe Dichte keltischer Besiedlung im gesamten rätischen Raum beschreiben (Langhammer 2003), konnten im Augsburger Stadtraum und dem dazugehörigen Umland abgesehen von zahlreichen Grabfunden aus der frühkeltischen Hallstattzeit (bis 500 v. Chr.) archäologisch tatsächlich nur vereinzelte latenézeitliche Kleinsiedlungen und Schanzen nachgewiesen werden, die sich vor allem entlang der fruchtbaren, bereits in der Bronzezeit stark besiedelten Lechleite befanden und zur Zeit der Landnahme durch die Römer bereits seit 80-100 Jahren zunehmend verwaist waren. Für den Stadtraum Augsburg ist bislang kein passender Nachweis eines nennenswerten keltischen Siedlungsbefundes erbracht, größere Oppida (=keltische Stadtsiedlungen) wie z.B. in Manching sind bei Grabungen in der gesamten Region bislang nirgends zu Tage getreten (Langhammer 2003). Das macht einen bedeutenden Kultplatz an angesprochener Stelle sehr unwahrscheinlich und bietet innerhalb des heutigen Stadtgebietes auch keine alternative Verortung an. | ||
Auch die von Peter Dempf in „Sagenhaftes Augsburg“ (Dempf 2010) angebotene Erklärung, der alte Kultplatz sei wahrscheinlich im Zuge der Christanisierung verschwunden, ist nicht schlüssig. Das macht in zweifacher Hinsicht keinen Sinn, erstens in Bezug auf erwähnte Siedlungsbefunde und zweitens hinsichtlich der Tatsache, dass die Christianisierung erst runde 300 Jahre später im römischen Reich einsetzte und die Römer vorher immer darauf bedacht waren, fremde, in den eroberten Gebieten angetroffene Religionen und Götter weitesgehend zu integrieren. Es wäre dann eher fragwürdig, warum eine solche, für die Urbevölkerung so bedeutsame Göttin Cisa innerhalb der römischen Überlieferung über Augusta Vindilicorum niemals erwähnt wurde. | Auch die von Peter Dempf in „Sagenhaftes Augsburg“ (Dempf 2010) angebotene Erklärung, der alte Kultplatz sei wahrscheinlich im Zuge der Christanisierung verschwunden, ist nicht schlüssig. Das macht in zweifacher Hinsicht keinen Sinn, erstens in Bezug auf erwähnte Siedlungsbefunde und zweitens hinsichtlich der Tatsache, dass die Christianisierung erst runde 300 Jahre später im römischen Reich einsetzte und die Römer vorher immer darauf bedacht waren, fremde, in den eroberten Gebieten angetroffene Religionen und Götter weitesgehend zu integrieren. Es wäre dann eher fragwürdig, warum eine solche, für die Urbevölkerung so bedeutsame Göttin Cisa innerhalb der römischen Überlieferung über Augusta Vindilicorum niemals erwähnt wurde. | ||
Zum Glauben an diese Göttin Cisa, die von den Augsburgern lange verehrt worden sei, hatten dann auch keine römischen, sondern vor allem eine Menge von mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Quellen und Überlieferungen beigetragen, die sich bei näherer Überprüfung aber ausnahmslos als nicht sicher belegbar herausstellen. | Zum Glauben an diese Göttin Cisa, die von den Augsburgern lange verehrt worden sei, hatten dann auch keine römischen, sondern vor allem eine Menge von mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Quellen und Überlieferungen beigetragen, die sich bei näherer Überprüfung aber ausnahmslos als nicht sicher belegbar herausstellen. | ||
Aktuelle Version vom 10. Oktober 2023, 20:17 Uhr
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Cisa (Zisa)
(Aga)
In der Heimatliteratur und älteren Nachschlagewerken finden sich ein Reihe von Hinweisen auf eine angenommene, keltische Göttin Cisa, die auch noch über die keltischen Zeit hinaus in Augsburg lange verehrt worden sein soll. Sie soll den Römern bekannt gewesen sein und wird im 12. Jahrhundert zum ersten Mal in einer Chronik erwähnt, ferner wird ihre Existenz durch mittelalterliche und frühneuzeiltiche Texte und Sagen untermauert. Diese Überlieferungen und Erzählungen halten aber angesichts der zum Thema existierenden (bzw. fehlenden) archivalischen Quellen und auch bezüglich der archäologischen Befunde einer Überprüfung nicht stand.
So zitiert der Vorgängerartikel des alten AugsburgWikis noch den Autor Joseph Georg Fischer, der in seinem 1952 veröffentlichten Buch „Augsburger Frauen“ (Fischer 1952) mutmaßt, der ehemalige Kultplatz der Göttin Cisa habe sich vermutlich an der Stelle des heutigen Perlachturms befunden. Gegen die Verortung eines solchen Platzes im Augsburger Stadtgebiet sprechen aber sehr deutlich die Forschungsergebnisse der Augsburger Stadtarchäologie. Entgegen der römischen Literaturquellen (u.a. Horaz und Strabo), die tatsächlich eine hohe Dichte keltischer Besiedlung im gesamten rätischen Raum beschreiben (Langhammer 2003), konnten im Augsburger Stadtraum und dem dazugehörigen Umland abgesehen von zahlreichen Grabfunden aus der frühkeltischen Hallstattzeit (bis 500 v. Chr.) archäologisch tatsächlich nur vereinzelte latenézeitliche Kleinsiedlungen und Schanzen nachgewiesen werden, die sich vor allem entlang der fruchtbaren, bereits in der Bronzezeit stark besiedelten Lechleite befanden und zur Zeit der Landnahme durch die Römer bereits seit 80-100 Jahren zunehmend verwaist waren. Für den Stadtraum Augsburg ist bislang kein passender Nachweis eines nennenswerten keltischen Siedlungsbefundes erbracht, größere Oppida (=keltische Stadtsiedlungen) wie z.B. in Manching sind bei Grabungen in der gesamten Region bislang nirgends zu Tage getreten (Langhammer 2003). Das macht einen bedeutenden Kultplatz an angesprochener Stelle sehr unwahrscheinlich und bietet innerhalb des heutigen Stadtgebietes auch keine alternative Verortung an.
Auch die von Peter Dempf in „Sagenhaftes Augsburg“ (Dempf 2010) angebotene Erklärung, der alte Kultplatz sei wahrscheinlich im Zuge der Christanisierung verschwunden, ist nicht schlüssig. Das macht in zweifacher Hinsicht keinen Sinn, erstens in Bezug auf erwähnte Siedlungsbefunde und zweitens hinsichtlich der Tatsache, dass die Christianisierung erst runde 300 Jahre später im römischen Reich einsetzte und die Römer vorher immer darauf bedacht waren, fremde, in den eroberten Gebieten angetroffene Religionen und Götter weitesgehend zu integrieren. Es wäre dann eher fragwürdig, warum eine solche, für die Urbevölkerung so bedeutsame Göttin Cisa innerhalb der römischen Überlieferung über Augusta Vindilicorum niemals erwähnt wurde. Zum Glauben an diese Göttin Cisa, die von den Augsburgern lange verehrt worden sei, hatten dann auch keine römischen, sondern vor allem eine Menge von mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Quellen und Überlieferungen beigetragen, die sich bei näherer Überprüfung aber ausnahmslos als nicht sicher belegbar herausstellen.
So wird der Name der Göttin Cisa (andere Schreibweisen sind Ciza oder Zisa) zum ersten Mal überhaupt in der „Excerptum ex Gallica Historia“ (Auszug aus der Gallischen Geschichte) aus dem Jahr 1135 erwähnt, wonach sogar die Stadt selbst zu diesem Zeitpunkt zu Ehren jener Göttin „Cizaris“ genannt worden sein soll. Die Göttin sei in einem nach Barbarenart gebauten, hölzernen Tempel verehrt worden und habe einen eigenen Festtag (Dies Cize) am 28. September besessen.
Allerdings steckt das gesamte Excerptum voller Widersprüchen und falscher Annahmen. So ist nicht nur eine hier beschriebene, siegreiche Schlacht der Vindeliker gegen die Römer zu dieser Zeit unbelegt (es ist davon auszugehen, dass es in der Augsburger Gegend nur geringen Widerstand gab), sondern es werden zB. Ortsnamen unschlüssig und aus heutiger Kenntnis heraus völlig falsch hergeleitet (so sei Kriegshaber auf einen Griechen Avar bezogen, der Hafnerberg auf den Prefekten Habeno und Pfersee auf den Kriegstribunen Verres). Das mag Unwissen gewesen sein, kann aber auch der bewußten Konstruktion einer bedeutsameren Stadtgeschichte gedient haben. Nach übereinstimmender Meinung vieler Fachleute hat der Verfasser des Excerptums so sicher auch im Fall der Cisa fabuliert und vielleicht lediglich nach Erklärungen für die im 12. Jahrhundert nicht mehr verstandenen, vor-alemannischen Ortsnamen gesucht und aus dem mittelalterlichen „Cizenberg“ (später Kitzen- oder auch Eisenberg) etwas Entsprechendes herauskonstruiert (Ciza oder Cisa und dann eben sogar den Stadtnamen Cizaris), was irgendwie gerade gut passte und der Stadt einen historisch würdigen Rahmen und eine bedeutsame Gründungslegende verpassen konnte (Kapfhammer 1985).
Nachhaltig untermauert wurde der bis heute anhaltende Glaube an die Göttin Cisa aber noch durch eine andere Geschichte, nämlich diejenige, die beschreibt, wie im 15.Jahrhundert die Zirbelnuss zum Stadtwappen Augsburgs geworden war. 1467 hatte man in den Fundamenten der Ulrichskirche eine (damals im gesamten römischen Reich nicht unübliche) Bau- bzw. Schmuckplastik in Form eines Pinienzapfens gefunden, der ursprünglich einmal der obere Abschuss eines römischen Pfeilergrabmals gewesen war, welches wiederum in einem Kapitel auch die Darstellung eines Frauenkopfes zeigte. Man hielt diese Zirbelnuss nun für das Ursprungssymbol der alten römischen Stadt und machte sie sich zu eigen. Da solch ein Pyr bzw. die Zirbelnuss auch in Verbindung mit dem sogenannten „Kybele-“ oder auch „Cybelekult“ stehen konnte, glaubte man nun, auch angesichts des Frauenportraits über die Vokabel „Cybele“ eine Verbindung zur gesuchten „Cisa“ gefunden und bestätigt zu haben, war doch analog zum Frauenkopf des Kapitels ein bereits 1135 bekanntes und später ein in die Mauer der Ulrichskirche eingefügtes römisches Medusenhaupt ebenfalls schon fälschlicherweise als Darstellung der Cisa interpretiert worden. (Das Haupt verschwand 1871 beim Umbau der Kirche, tauchte aber 1936 wieder auf und befindet sich heute im römischen Museum (Kapfhammer 1985).
Von da an tradierte sich die Geschichte um die Göttin Cisa immer weiter durch die Jahrhunderte, was unter anderem im Jahr 1615 dazu führte, dass der Stadtbaumeister Elias Holl eine Cisa-Darstellung in Form einer Wetterfahne (Foto) auf die Spitze des umgebauten Perlachturms setzte, die durch einen glücklichen Zufall sogar den zweiten Weltkrieg überlebte (sie blieb am steinernen Gelände des oberen Kranzes des zerstörten Turms hängen). Ferner ist Cisa auf vielen historischen Stichen zu sehen und in einem Relief des Herculesbrunnens verewigt (Fischer 1952).
Im Laufe des späten 19. und 20 Jahrhunderts wurde der Cisa-Therorie und auch dem überzeugten Cisa-Anhänger Jakob Grimm aber immer weitergehend widersprochen. Grimm hatte den alten Chroniktext in seinem grundlegenden Werk der Deutsche Mythologie abgedruckt und angemerkt: „all der Unsinn, den sie enthält, hebt den Werth der merkwürdigen Überlieferung für uns nicht auf.“ Er versuchte einen Zusammenhang mit dem bei Tacitus erwähnten Isiskult herzustellen und erwägte außerdem, dass Cisa sich auch von einer späteren, alemannischen Ziuverehrung ableiten könne. Den Stadtnamen Cizara interpretierte er sehr frei als „Cisae ara“ = „Cisas Altar“. All das setzte sich aber am Ende aufgrund der doch recht großen Abstraktion dieser Herleitungen und der fehlenden, schlüssigen Quellenlage in der Fachwelt nicht durch.
Von der Vorstellung, es hätte eine Göttin Cisa gegeben, die im Augsburger Stadtgebiet schon seit keltischen Zeiten Verehrung gefunden hat, muss man sich der Quellenlage entsprechend also eher verabschieden, zumal in der Forschung auch über Augsburg hinaus die Existenz einer keltischen Gottheit mit diesem Namen mittlerweile als eher ausgeschlossen gilt. Das gilt selbstredend auch trotz der Tatsache, dass Cisa bzw. Zisa in pseudowissenschaftlichen Foren zur Geschichte der Kelten und insbesondere in neopaganen Kreisen wieder eine unreflektierte Renaissance erfahren hat (Wikipedia Cisa).
Anmerkungen zu den Quellen
Joseph Georg Fischer wurde am 10. Februar 1902 in Augsburg geboren. Zuletzt war er Rektor der Elias-Holl-Schule (?) in Augsburg. Er hat einige Bücher über Augsburger Themen veröffentlicht. Am bekanntesten ist sein Werk mit dem Titel "Augsburger Frauen". Das dünne broschierte Buch mit dem Untertitel "Bunte Bilder von Liebe, Lust und Leid" erschien in mehreren Auflagen, zuerst 1952 in Augsburg. Brauchwiki: Die Aussagekraft des Textes ist jeodch keineswegs der einer Urkunde. Der Verfasser der Handschrift suchte vielmehr nach Erklärungen für die im 12. Jahrhundert nicht mehr verstandenen, vor-alemannischen Ortsnamen.