Die Augsburger Wohnhöfe: Unterschied zwischen den Versionen
Cheffe (Diskussion | Beiträge) Keine Bearbeitungszusammenfassung |
Cheffe (Diskussion | Beiträge) Keine Bearbeitungszusammenfassung |
||
(9 dazwischenliegende Versionen desselben Benutzers werden nicht angezeigt) | |||
Zeile 2: | Zeile 2: | ||
<gallery widths=300px heights=300px> | <gallery widths=300px heights=300px> | ||
Datei:Wohnhof Kammgarn 1.jpg|300px|thumb|left| | Datei:Wohnhof Kammgarn 1.jpg|300px|thumb|left|Richard-Strauß-Wohnhof der ehemaligen Kammgarnspinnerei am Stadtbach, erbaut 1927, Lechausen, Leipziger Strasse 36, Gesamtansicht, (c) agaritz | ||
Datei:Wohnhof Kammgarn 3.jpg|300px|thumb|left|Ebd., Detail Eingangspforte, (c) agaritz | Datei:Wohnhof Kammgarn 3.jpg|300px|thumb|left|Ebd., Detail Eingangspforte, (c) agaritz | ||
Datei:Hohlen Zeppelinhof 2.JPG|300px|thumb|left| | Datei:Hohlen Zeppelinhof 2.JPG|300px|thumb|left|Zeppelinhof, Detailansicht, Schertlinstrasse 48-54, erbaut 1927, (c) bhohlen | ||
</gallery> | </gallery> | ||
In den 1920er-Jahren zählte die Stadt Augsburg mit ihren 160000 Einwohnern über 10000 Wohnungssuchende. Wohnungsbefragungen der Stadt aus den Jahren 1904 und 1925 ergaben, dass die Altstadtwohnungen feucht, schimmelig und dunkel waren. Die Zustände würden allen Ansprüchen „hohngrinsend zuwiderlaufen“, hieß es im Erhebungsbericht aus dem Jahre 1904. Es war keine Seltenheit, dass eine kleine Stube von fünf Personen bewohnt wurde. Manchmal teilten sich vier Personen ein Bett. Sogenannte Schlafgänger, ohne eigene Wohnung. Die hygienischen Bedingungen begünstigten Krankheiten wie Schwindsucht, TBC und Infektionskrankheiten. Daraus entstand ein hoher gesellschaftlicher und politischer Druck. | In den 1920er-Jahren zählte die Stadt Augsburg mit ihren 160000 Einwohnern über 10000 Wohnungssuchende. Wohnungsbefragungen der Stadt aus den Jahren 1904 und 1925 ergaben, dass die Altstadtwohnungen feucht, schimmelig und dunkel waren. Die Zustände würden allen Ansprüchen „hohngrinsend zuwiderlaufen“, hieß es im Erhebungsbericht aus dem Jahre 1904. Es war keine Seltenheit, dass eine kleine Stube von fünf Personen bewohnt wurde. Manchmal teilten sich vier Personen ein Bett. Sogenannte Schlafgänger, ohne eigene Wohnung. Die hygienischen Bedingungen begünstigten Krankheiten wie Schwindsucht, TBC und Infektionskrankheiten. Daraus entstand ein hoher gesellschaftlicher und politischer Druck. | ||
Es war der Beginn des kommunalen Wohnungsbaus in Augsburg. Der Genossenschaftsbau und der Werkswohnungsbau waren schon vorangeschritten, aber nun kam als dritte Säule der kommunale Wohnungsbau hinzu. Eine Aufteilung, die sich günstig auf das soziale Miteinander auswirkte. Das Augsburger Stadtbauamt hatte 1927 mit dem Bau von fünf Wohnhöfen begonnen. Birkenhof und Eschenhof, | Es war der Beginn des kommunalen Wohnungsbaus in Augsburg. Der Genossenschaftsbau und der Werkswohnungsbau waren schon vorangeschritten, aber nun kam als dritte Säule der kommunale Wohnungsbau hinzu. Eine Aufteilung, die sich günstig auf das soziale Miteinander auswirkte. Das Augsburger Stadtbauamt hatte 1927 mit dem Bau von fünf Wohnhöfen begonnen. Birkenhof und Eschenhof, Richard Wagner, Richard-Strauß-und Zeppelinhof. Aus „beleihungsrechtlichen Vorschriften“, wie es hieß, musste die Stadt eine privatrechtliche Gesellschaft gründen: die Wohnungsbaugesellschaft der Stadt Augsburg GmbH, kurz WBG, heute Wohnbaugruppe. Sie führte die Bauten fort. Zwischen 1927 und 1931 konnte die WBG bereits 1568 Wohnungen fertigstellen. Zwölf Wohnhöfe und Siedlungsanlagen entstanden. | ||
Meist wurden die Wohnanlagen in der Nähe eines Arbeitgebers errichtet, wie der Zeppelinhof, oder die Anlage hatte eine gute Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr. Das war günstig für die Werktätigen, bedeutete aber auch Kontrolle des Arbeitgebers, durch räumliche Nähe. In den Werkswohnanlagen und Genossenschaftswohnanlagen lebten z.T. Menschen, die sich auch vom Arbeitsplatz her kannten. Das war das identitätsstiftende Element des Zusammenlebens. | Meist wurden die Wohnanlagen in der Nähe eines Arbeitgebers errichtet, wie der Zeppelinhof, oder die Anlage hatte eine gute Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr. Das war günstig für die Werktätigen, bedeutete aber auch Kontrolle des Arbeitgebers, durch räumliche Nähe. In den Werkswohnanlagen und Genossenschaftswohnanlagen lebten z.T. Menschen, die sich auch vom Arbeitsplatz her kannten. Das war das identitätsstiftende Element des Zusammenlebens. | ||
Zeile 15: | Zeile 15: | ||
Dass einmal so viele Bewohner ein eigenes Auto haben würden, konnte damals nicht vorausgesehen werden und spielte bei den Quartierentwicklungen keine Rolle. Das führte in Zeiten der allgemeinen Motorisierung zu einer großen Verdichtung auf den umliegenden Straßen. Auch der geförderte Wohnungsbau reagierte auf diese neue Entwicklung und stattete ab den 1950er Jahren neue Wohnanlagen mit Garagen oder Stellplätzen aus. In den 1990er Jahren erhielten viel Wohnungen einen Balkon und Leben orientiert sich an einigen Orten nicht mehr so sehr in Richtung der gemeinschaftlichen Hofseite. | Dass einmal so viele Bewohner ein eigenes Auto haben würden, konnte damals nicht vorausgesehen werden und spielte bei den Quartierentwicklungen keine Rolle. Das führte in Zeiten der allgemeinen Motorisierung zu einer großen Verdichtung auf den umliegenden Straßen. Auch der geförderte Wohnungsbau reagierte auf diese neue Entwicklung und stattete ab den 1950er Jahren neue Wohnanlagen mit Garagen oder Stellplätzen aus. In den 1990er Jahren erhielten viel Wohnungen einen Balkon und Leben orientiert sich an einigen Orten nicht mehr so sehr in Richtung der gemeinschaftlichen Hofseite. | ||
Bei der Vergabe des Wohnraums wird auf die heute viel höhere Durchmischung von Herkunft und Beruf reagiert und | Bei der Vergabe des Wohnraums wird auf die heute viel höhere Durchmischung von Herkunft und Beruf reagiert und ob die Verträglichkeit der sozialen Schichtungen innerhalb der Anlagen gegeben ist. Der ehemalige WBG Chef Edgar Mathe sieht dieses Modell erfolgreich bestätigt, weil nach seinen Angaben die Mieter-Fluktuation weitestgehend gering bleibt. Für Mathe gibt es auch diesem Grund in Augsburg auch keine ,No-go-Areas‘ wie in Mannheim. | ||
Zeile 26: | Zeile 26: | ||
[[Richard-Wagner-Hof]] | [[Richard-Wagner-Hof]] | ||
[[Richard-Strauß-Hof]] | |||
[[Zeppelinhof]] | [[Zeppelinhof]] |
Aktuelle Version vom 24. Oktober 2023, 21:03 Uhr
(Hollow), (Artikel AZ 26.4.2018)
In den 1920er-Jahren zählte die Stadt Augsburg mit ihren 160000 Einwohnern über 10000 Wohnungssuchende. Wohnungsbefragungen der Stadt aus den Jahren 1904 und 1925 ergaben, dass die Altstadtwohnungen feucht, schimmelig und dunkel waren. Die Zustände würden allen Ansprüchen „hohngrinsend zuwiderlaufen“, hieß es im Erhebungsbericht aus dem Jahre 1904. Es war keine Seltenheit, dass eine kleine Stube von fünf Personen bewohnt wurde. Manchmal teilten sich vier Personen ein Bett. Sogenannte Schlafgänger, ohne eigene Wohnung. Die hygienischen Bedingungen begünstigten Krankheiten wie Schwindsucht, TBC und Infektionskrankheiten. Daraus entstand ein hoher gesellschaftlicher und politischer Druck.
Es war der Beginn des kommunalen Wohnungsbaus in Augsburg. Der Genossenschaftsbau und der Werkswohnungsbau waren schon vorangeschritten, aber nun kam als dritte Säule der kommunale Wohnungsbau hinzu. Eine Aufteilung, die sich günstig auf das soziale Miteinander auswirkte. Das Augsburger Stadtbauamt hatte 1927 mit dem Bau von fünf Wohnhöfen begonnen. Birkenhof und Eschenhof, Richard Wagner, Richard-Strauß-und Zeppelinhof. Aus „beleihungsrechtlichen Vorschriften“, wie es hieß, musste die Stadt eine privatrechtliche Gesellschaft gründen: die Wohnungsbaugesellschaft der Stadt Augsburg GmbH, kurz WBG, heute Wohnbaugruppe. Sie führte die Bauten fort. Zwischen 1927 und 1931 konnte die WBG bereits 1568 Wohnungen fertigstellen. Zwölf Wohnhöfe und Siedlungsanlagen entstanden.
Meist wurden die Wohnanlagen in der Nähe eines Arbeitgebers errichtet, wie der Zeppelinhof, oder die Anlage hatte eine gute Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr. Das war günstig für die Werktätigen, bedeutete aber auch Kontrolle des Arbeitgebers, durch räumliche Nähe. In den Werkswohnanlagen und Genossenschaftswohnanlagen lebten z.T. Menschen, die sich auch vom Arbeitsplatz her kannten. Das war das identitätsstiftende Element des Zusammenlebens.
Dass einmal so viele Bewohner ein eigenes Auto haben würden, konnte damals nicht vorausgesehen werden und spielte bei den Quartierentwicklungen keine Rolle. Das führte in Zeiten der allgemeinen Motorisierung zu einer großen Verdichtung auf den umliegenden Straßen. Auch der geförderte Wohnungsbau reagierte auf diese neue Entwicklung und stattete ab den 1950er Jahren neue Wohnanlagen mit Garagen oder Stellplätzen aus. In den 1990er Jahren erhielten viel Wohnungen einen Balkon und Leben orientiert sich an einigen Orten nicht mehr so sehr in Richtung der gemeinschaftlichen Hofseite.
Bei der Vergabe des Wohnraums wird auf die heute viel höhere Durchmischung von Herkunft und Beruf reagiert und ob die Verträglichkeit der sozialen Schichtungen innerhalb der Anlagen gegeben ist. Der ehemalige WBG Chef Edgar Mathe sieht dieses Modell erfolgreich bestätigt, weil nach seinen Angaben die Mieter-Fluktuation weitestgehend gering bleibt. Für Mathe gibt es auch diesem Grund in Augsburg auch keine ,No-go-Areas‘ wie in Mannheim.
Mehr Infos über die einzelnen Höfe bzw. Anlagen erfahren Sie in den folgenden Artikeln:
zurück zu:
Städtisches Bauen im 19. und 20.Jahrhundert