Von den sieben Kindeln: Unterschied zwischen den Versionen

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'''Die sieben Kinder (auch: die sieben Kindeln, bei den sieben Kindeln)'''
'''Die sieben Kinder (auch: die sieben Kindeln, bei den sieben Kindeln)'''
(Aga)


Die kurze Straße (Bei den Sieben Kindeln) im 7. Stadtbezirk (Bleich und Pfärrle), gelegen bei der Brücke über den (Stadtbach), die den (Mittleren) mit dem (Unteren Graben) verbindet, erhielt ihre Bezeichnung von dem Haus mit der Hausnummer 3. Dieses wurde 1761 hier in der  nördlichen Jakobervorstadt  als dreigeschossiges barockes Bürgerhaus erbaut. Es beherbergte zeitweise die Tabakfabrik der Familie Schmid. In seiner der Straßen zugewandten Ostseite ist ein römisches Steinrelief in die Außenmauer eingelassen, um das sich eine alte Augsburger Stadtsage rankt.   
Die kurze Straße (Bei den Sieben Kindeln) im 7. Stadtbezirk (Bleich und Pfärrle), gelegen bei der Brücke über den (Stadtbach), die den (Mittleren) mit dem (Unteren Graben) verbindet, erhielt ihre Bezeichnung von dem Haus mit der Hausnummer 3. Dieses wurde 1761 hier in der  nördlichen Jakobervorstadt  als dreigeschossiges barockes Bürgerhaus erbaut. Es beherbergte zeitweise die Tabakfabrik der Familie Schmid. In seiner der Straßen zugewandten Ostseite ist ein römisches Steinrelief in die Außenmauer eingelassen, um das sich eine alte Augsburger Stadtsage rankt.   

Version vom 7. Oktober 2023, 16:35 Uhr

Die sieben Kinder (auch: die sieben Kindeln, bei den sieben Kindeln) (Aga)

Die kurze Straße (Bei den Sieben Kindeln) im 7. Stadtbezirk (Bleich und Pfärrle), gelegen bei der Brücke über den (Stadtbach), die den (Mittleren) mit dem (Unteren Graben) verbindet, erhielt ihre Bezeichnung von dem Haus mit der Hausnummer 3. Dieses wurde 1761 hier in der  nördlichen Jakobervorstadt  als dreigeschossiges barockes Bürgerhaus erbaut. Es beherbergte zeitweise die Tabakfabrik der Familie Schmid. In seiner der Straßen zugewandten Ostseite ist ein römisches Steinrelief in die Außenmauer eingelassen, um das sich eine alte Augsburger Stadtsage rankt.

Das recht flach gehaltene Bas-Relief (Flachrelief) zeigt sechs nackte, spielende Kinder:„Das erste Kind freut sich mit ausgestreckten Armen der Gesellschaft; das zweite wirft discum (Wurfscheibe) oder den trochum (kleiner Reif); das dritte und vierte Kind tanzen; sich an einer Hand haltend (…); das fünfte Kind mit einem Gewande am linken Arme weint; und das sechste die rechte Hand in die Höhe haltend scheint entweder weinende Kind zu trösten, oder dasselbe geschlagen zu haben (Raiser 1820)“. Man mag dieser Beschreibung folgen, oder aber das Kind ganz rechts viel einfacher bei dem Versuch sehen, den geworfenen Ring des zweiten Kindes zu fangen. Auch ist ein „Weinen“ eher nicht zu erkennen. Wann genau das römische Relief an dem barocken Gebäude angebracht, also zweit- oder bereits drittverwendet wurde, ist unbekannt. Die Tafel ist mit einer frühbarocken Steinrahmung und einer in gleicher Zeit hinzugefügten, in lateinischer Sprache verfassten Inschrift versehen, die folgendermaßen lautet: "Priscae Artis opus infantium ludos vides / sed et omnis aetas omnis ordo ludus est", zu deutsch: „Du siehst hier die Spiele der Kinder auf einem uralten Kunstwerk, doch ist jedes Alter, jeder Stand auch nur ein Spiel.“

Beschrieben hatte das Relief „Bei den sieben Kindeln“ bereits zweihundert Jahre zuvor der Humanist (Markus Welser) in seiner Augsburger Chronik "Rerum Augustanarum Vindelicarum" (Rerum S.221 f.), die er 1594/95 veröffentlichte. Das Relief befand sich zu seiner Zeit allerdings an einem anderem Ort angebracht als heute, wobei nicht klar ist, ob noch an den Resten einer original römischen oder bereits an einer damals neuen Bebauung. Die Chronik sagt dazu: Bey der Brucken deß mitteln newen Gangs“ (link: Strasse neuer Gang). Sicher ist aber, dass die humanistische Antikenrezeption während der Renaissancezeit auch in Augsburg blühte und bereits seit den Zeiten Peutingers und Welsers römische Inschriftentafeln und Reliefsteine aus älteren Gebäuden oder aus dem Boden geborgen, gesammelt und teilweise in Neu- oder Umbauten öffentlich gezeigt wurden. Peutingers ehemaliges Wohnhaus aus dem 16. Jahrhundert zeugt noch heute davon und auch der Garten Welsers soll seinerzeit ein regelrechtes römisches Lapidarium beherbergt haben (Gairhos, Hartmann 2022).

Das Relief war also bereits bekannt und es rankten sich offensichtlich auch zu Welsers Zeiten bereits Mythen und Legenden um die Darstellung der spielenden Kinder, denn es ist weiter zu lesen: "... ich lass mich etlicher ungereimbt und läppisch Fabelwerck hievon nichts irren: dies ist ein Tafel von einer Begräbnuss und vielleicht eines Kindts" (Chronik Übersetzung, Seite.xx). Er hielt die Reliefplatte für eine Teil bzw. die Seitenwand eines römischen Sarkophags und vermutete, dass es sich dabei um den Teil eines Kindergrabmals gehandelt haben müsse.

Die Geschichte wurde dann als Augsburger Stadtsage in verschiedenen Varianten weiter tradiert. Die Legende lautete bald, dass hier das Kind eines römischen Offiziers ertrunken sei und dieser daraufhin das Steinrelief in Auftrag gegeben habe. Er habe damit seinen Frau trösten und sie von ihrer nicht enden wollenden Trauer um das ertrunkene Kind abbringen wollen, indem er den sechs noch lebenden Geschwistern ein Denkmal setzte. Über das Leid und die Trauer um das eine Kind, sollte nicht das Schicksal der sechs noch Lebenden vernachlässigt werden, die sich um ihren verehrten und vermissten Spielkameraden scharten und ihn so stets in ihrer Mitte trugen und sich alle zusammen unvergesslich machten. Das siebte Kind (nämlich das ertrunkene) soll also in dem Sarkophag selbst gelegen haben, während die Geschwister auf der Tafel drumherum angeordnet mit verschiedensten Tätigkeiten beschäftigt gezeigt wurden. Aus diesem Grund gab man der Platte den Namen "Bei den Sieben Kindeln", obwohl nur sechs dargestellt sind.

Die Theorie, es würde sich bei dem Relief um die Seitenwand eines Sarkophags (oder auch Eroten-Sarkophages) handeln, wurde mittlerweile von Epigraphologen wegen der fehlenden Dicke des Materials und der Gestaltung und Beschaffenheit der Rückseite verworfen. Bei näherer Betrachtung handelte es sich wohl eher um eine reine, dekorative Schmucktafel bzw. Bauplastik, die schon in antiken Zeiten eine römische Wand bzw. Fassade geschmückt haben könnte, vermutet der Heimat-Historiker Häußler (Ina Kresse, AZ 18.07.2017). Damit ist es wohl eher unwahrscheinlich, dass sich die Erzählung und ihrer Rezeption als Sagenstoff auf eine echte Überlieferung oder gar ein historisch verbürgtes Ereignis (etwa einen Unfall) beziehen lässt, die auf einem römischen Grabstein festgehalten wurde und rund 1400 Jahre später über Umwege in die Fassade eines Barockhauses gelangte. Vermutlich handelt es sich lediglich um einen zeitgenössischen Wandschmuck aus dem späten 2. oder 3. Jahrhundert n. Chr., das spielende Kinder zeigt. Noch heute befindet sich Original in situ an der Hausfassade, ist aber bereits seit vielen Jahren mit einer stabilen Glasscheibe gesichert.

Detail: Thaddäus Ruess wollte in dem Haus gar das Geburtshaus (Agnes Bernauers) erkannt haben (Ruess 1900), wobei er hier inhaltlich offensichtlich eine gewagte Verbindung zum Wassertod Bernauers zog. Eine Verknüpfung dieser beiden Sagen- bzw. Erzählstoffe ist allerdings äußerst konstruiert und sehr unwahrscheinlich (Kapfhammer 1985).